Interview (1/3): Dr. Engelmayer über Humanismus

Interview 

mit

 

Dr. Gerhard Engelmayer 

 

Präsident des Humanistischen Verbandes Österreich (HVÖ)

 

Herr Dr. Engelmayer, vielen Dank für Ihre Zeit. Beginnen wir beim Begriff: wie definieren Sie „Humanisten“? Was ist „säkular“?

 

In einer weltlichen, also säkularen Gesellschaft ist Humanismus die Grundlage menschlichen Handelns und nicht die Religion. Religion ist ein komplexes Phänomen von gesellschaftlichen meist regional bedingten Agglomerationen auf Basis eines möglichst irrationalen Mems, um die Gefolgschaft einer – wie es heißt – „Herde“ gegenüber ihrem Hirten zu testen und festzubinden. Es ist also auf Stammesdenken gegründet und  birgt daher große Gefahren und  Gewaltpotenziale im Hinblick auf eine globalisierte Welt mit einer Menge von „clashes of civilisations“. Beispiele sind vor allem bei solchen Religionen zu finden, die einen totalitären Kern haben. Das sind laut Peter Sloterdijk vor allem die monotheistischen Religionen. Humanismus erklärt sich am besten als der weltliche Gegenentwurf zu Religionen,  als ethisch orientierte Sinnes-Gemeinschaften. Humanismus musste – wie fast jeder andere zivilisatorische Fortschritt – gegen Religionen und gegen die Kirche erkämpft werden. 

 

Wie unterscheidet sich die weltliche Ethik von der kirchlichen Moral?

 

Unsere Ethik orientiert sich an der weltlichen Ethik, solche Ethik wird unter den Menschen selbst immer neu ausverhandelt. Eine statische Moral, die meist von Gott geoffenbart wurde, wie die 10 Gebote,  und daher als unveränderlich gesetzt wird, ist für unsere Zeit unannehmbar. Wir verwenden auch nicht die Astrologie, die Alchemie und die Geografie dieser Zeit, warum sollen wir also für die Fundamente unserer  Weltanschauung uralte Bücher und Offenbarungen verwenden? 

 

Gibt es nicht auch gläubige Humanisten?

 

Ja, die gibt es und deren Anschauungen sind mit dem gängigen Weltbild unserer Zeit nicht vereinbar. Humanismus ist nicht notwendigerweise, sondern plausiblerweise areligiös. Wie die Menschen das mit sich selbst ausmachen, das geht uns atheistische Humanisten nichts an, das ist Privatsache.  Früher oder später merken die Menschen, dass die Tatsache der Evolution gewisse Konsequenzen hat und dass die Naturgesetze für alle gelten, auch für Jesus und Mohammed.  

 

Was stört Sie am Glauben?

 

Jeder Glaube ist ja auch Aberglaube. Das kann ja völlig harmlos daherkommen, im Sinne der „schwarzen Katze“, die niemandem etwas tut. Aber es kann auch Kindern das Leben kosten, wenn Eltern daran glauben, dass eine Bluttransfusion ein von Gott verbotener Akt ist. Glaube kann also sehr gefährlich sein, je nach seinem Ernstnehmfaktor E. Geht dieser Faktor gegen 1, dann haben wir es mit Realitätsverlust und Fundamentalismus zu tun. Das ist eine schwere Krankheit, deren Konsequenz die Negation des Lebens sein kann. Das eigene Leben ist nichts mehr wert, wie bei  dem 9/11 Attentäter Mohammed Atta, der 3000 Menschen mit in den Tod genommen hat. Es ist schon richtig, dass das ein Extrembeispiel ist, aber der Anstieg des Ernstnehmfaktors kann unter Umständen unauffällig und schnell gehen. Ein ganzes Land kann in wenigen Monaten in einen religiösen Atavismus verfallen, wenn der Boden aufbereitet ist. 

 

Sie behaupten also Nachteile der Religion? Gewaltpotenziale?

 

Den Nachweis zu führen ist leicht, Menschen davon zu überzeugen ist schwierig, denn die Religionen haben ungeheure Propagandamaschinerien. Aber wenn der amerikanische Präsident einen Krieg beginnt mit den Worten „God wants it!“, wird schnell klar, wie gefährlich Religion als Argumentationslieferant sein kann. Religionen berufen sich auf Autoritäten und Vorschriften, die mit den heutigen menschenrechtlichen Normen völlig unvereinbar sind. Die Circumcision (Beschneidung), die einen Bund mit Gott besiegelt, ist ein archaischer Ritus. Sich darauf zu berufen, dass Gott einem Volk ein Land vor 3000 Jahren geschenkt hat, ist Extremismus. Wir sehen in der ganzen Welt, dass Religion autoritäre Strömungen begünstigt und liberale bekämpft. Das nächste Problem ist, dass es in Österreich in der Öffentlichkeit kaum möglich ist, die Kirche zu kritisieren, außer bei echten Verbrechen wie Kindesmissbrauch. Die Fernwirkungen der Religionserziehung unter der Oberfläche, also was das Mem „Religion“ durch Angst, Heuchelei, Bedrohung und Realitätsverbiegung alles anrichtet, davon haben wir heute noch immer keine Ahnung, weil es dazu kaum Forschung gibt. 

 

Herr Dr. Engelmayer, vielen Dank für das Gespräch. 

 

Ende Teil 1. Fortsetzung im nächsten Monat.

 

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