Zur Evolution der Menschlichkeit (Teil 3 von 3)

Von Mag. Dr. Nana Walzer, Senior Researcher, DRI

 

Teil III: GELINGENDES MITEINANDER 

 

Die umsetzungstaugliche Vision einer gelingenden, gesunden Gesellschaft

 

Die Frage ist heute nicht „Kapitalismus oder Kommunismus“, wie sie einst in Bezug auf die Wahl zum besseren Gesellschaftssystem geheißen haben mag. Heute heißt die Grundfrage in Bezug auf den bestmöglichen Umgang mit der nicht wegzudiskutierenden Unsicherheit im Hier und Jetzt und auf so vielen Ebenen: Konkurrenz oder Kooperation? Vertrauen oder Misstrauen? Welche Art des Umgangen und Verhältnisses von einzelnen und vielen ist erfolgsversprechender im Sinne des (guten) Überlebens? Die Antwort hängt auch von Empfindungen wie Sicherheit, Stabilität und Zufriedenheit ab. Können der Egoismus, die ausschließende Gruppenzugehörigkeit oder die nationale Einigelung mehr davon bieten oder kann das bewusste und aktive Wahrnehmen und Gestalten der Verflochtenheit von Menschen und ihrer Welt überzeugendere Ergebnisse erzielen? Die Realität sollte bei dieser Entscheidung das Zünglein and der Waage sein: Welche Sicht- und Verhaltensweise ist besser dazu geeignet, der heute empfundenen Unsicherheit kurz- und langfristig zu begegnen? Da Abschottung, Ignoranz oder Kampf naturgemäß keine Lösung für alle Seiten mit sich bringen, kann es im Sinne einer Weiterentwicklung und eines Zusammenlebens in Frieden, Gleichheit und Gerechtigkeit nur eine Entscheidung geben, nämlich die für das Miteinander. Und das gute Zusammenleben aller braucht eine entsprechende Gesellschaftsform, die wir als gelingende bzw. gesunde Gesellschaft bezeichnen wollen.

 

Eine gesunde Gesellschaft erlaubt Menschen, sich in individueller Freiheit und sozialer Sicherheit zu entfalten, als Person und als Gesellschaft. In einer gelingenden Gesellschaft gibt es Menschen, die dazu fähig sind und Systeme, die dies ermöglichen. Menschen mit offenem Geist und Herzen, die in guter Verbundenheit zu sich selbst und zu ihren Mitmenschen leben, sind also die eine Seite. Systemisch verankerte Grundstrukturen, die etwa Grund- und Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Laizität etc. sichern, sind die andere Seite.

 

Mitmenschlichkeit als Wegbereiter für gesunde Menschen und eine gelingende Gemeinschaft

 

Das in unseren Zeiten permanent gewordene Aufbrechen des Gewohnten, etwa die ständigen Irritationen durch Neues, Anderes, Fremdes im Alltag (siehe Technologien, Soziales, Arbeitswelt und Kulturen), könnten leicht in ein irreversibles Auseinanderbrechen der Gesellschaft, in kulturgeschichtlichen Rückfall zum Prinzip „jeder gegen jeden“ münden. Doch das muss nicht sein – ganz im Gegenteil. Es wird Zeit für ein strukturell und menschlich neues Zusammenwachsen, ein neues zusammen Wachsen, das den Anforderungen einer in kultureller, psychischer, sozialer und vielerlei Hinsicht multipolaren Welt gerecht wird. Denn eines ist klar: Die wichtigen Aufgaben, denen sich die Menschheit heute gegenübersieht, können nur gemeinsam gelöst werden (Klima, Technologisierung, Versorgung etc.). Die Umformung von Unsicherheit und Angst in Stabilität und Zuversicht beginnt daher sinnvollerweise nicht bei den Symptomen, sondern beim Kern, bei der Mitmenschlichkeit.  Damit ist jene Fähigkeit gemeint, die es Menschen ermöglicht, miteinander konstruktiv und kooperativ umzugehen, also wechselseitig solidarisch und gemeinsam problemlösend zu agieren. Mitmenschlichkeit ist an Kooperation orientiert statt konkurrenzorientiert, konstruktiv statt destruktiv, informativ statt ignorant, und kreativ/innovativ, z.B. im Umgang mit Vielfalt, statt abwehrend/abwertend zu denken, fühlen und handeln. 

 

Die Kultivierung von Mitmenschlichkeit kann der entscheidende Schritt für die weitere positive Entwicklung der Menschheit sein. Das Erzeugen von Verständnis für uns selbst, für die Funktionsweisen von uns Menschen als Einzelpersonen und als Gesellschaft, erleichtert den Umgang mit den vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit. Erst selbstverantwortliches Handeln schafft ein Klima der Gemeinsamkeit – auch in und trotz aller Vielfalt. Die Fähigkeit zur Selbstverantwortung, zum verantwortlichen Umgang mit sich, mit anderen und der Welt, braucht jedoch einen Reifungsprozess von einzelnen Menschen und von der Gesellschaft. Praktische Mitmenschlichkeit kann sich erst dann entfalten, sobald Menschen erkennen, dass sie gemeinsam besser dazu in der Lage sind, Probleme zu lösen, als alleine. Um diesen Grundsatz auch in der Praxis anwenden zu können, müssen Unterschiede als notwendig anerkannt werden und Irritationen als Auslöser für konstruktive Transformationsprozesse verstanden werden. Irritation ist ja eines der Hauptprobleme im Alltag. Menschen lieben ihre Komfortzone bzw. wollen eine kontrollierte und maximal eine ihren Vorstellungen entsprechende anregende Aufregung. Stattdessen bringen diverse Krisen den Eindruck von Chaos mit sich, ihre problemfokussierte Darstellung erzeugt unangenehme Emotionen, Überforderung, Kontrollverlust, Stress, Panik etc. und das fehlen gemeinsamer Lösungsfindungs- und Umsetzungsprozesse verunsichert weiter.

 

Mitmenschlichkeit zu leben bedeutet aber im Angesicht von Herausforderungen, eben nicht nur auf sich selbst und die engste Familie oder auf seine Freunde zu achten, sondern einen prinzipiellen, grundlegenden Sinn für Gerechtigkeit und Gleichbehandlung allen Menschen gegenüber zu entwickeln und zu verwirklichen. Gerade entlang kritischer Entwicklungen stellen mitmenschliche Grundsätze immens wertvolle Orientierungslinien dar. So versuchen etwa die Menschenrechte, gleiche Rechte für alle Menschen als Grundlage für unser Zusammenleben zu verankern. Das alleine reicht aber noch nicht aus. Mitmenschlichkeit braucht ebenso Menschen, die zum friedlichen und kooperativen Miteinander bereit und fähig sind. Solche Menschen verstehen nicht nur die Notwendigkeit eines mitmenschlichen Umganges, sie stehen auch für Freiheit, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit aktiv ein. Dabei gibt es unendlich viele Formen der Mitmenschlichkeit. Vom Umgang mit dem Busfahrer und der Supermarktkassiererin bis zu politischer Aktivität, vom Spenden für wohltätige Zwecke bis zum bewussten Konsumverhalten. Der Mitmenschlichkeit, also dass Menschen auf einander achten und darauf schauen, dass es allen – Menschen wie Umwelt – gut geht, ist in der Tat keine Grenzen gesetzt. Für all dies aber braucht es eine Bildung der Menschlichkeit, sowie mitmenschlich gebildete Personen in verantwortlichen Positionen (Politik, Wirtschaft, Medien).

 

 

Interessiert? 

 

Mag. Dr. Nana Walzer, Senior Researcher und Mag. DDr. Peter Gowin, Vorstand, DRI, stehen gerne für Vorträge, Abendveranstaltungen, Diskussionen, Briefings oder Seminare zu diesem Thema für Unternehmen, NGOs, Bildungseinrichtungen, Verwaltung oder Politik oder in anderem Rahmen zur Verfügung. 

 

Bitte kontaktieren Sie Dr. Walzer direkt unter: nana.walzer@development-institute.org. Wir freuen uns auf das Gespräch!

 

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