Interview (3/3): Dr. Engelmayer über Humanismus

Interview 

mit

 

Dr. Gerhard Engelmayer 

 

Präsident des Humanistischen Verbandes Österreich (HVÖ)

 

 

 Fortsetzung von Teil 2 dieses Interviews.

 

Herr Dr. Engelmayer, vielen Dank für Ihre Zeit. Wie wollen Sie dem Humanismus zum Durchbruch verhelfen?

 

Das ist schwierig, weil alle säkular denkenden Menschen gelernte Individualisten sind. Wirklich religiöse Menschen, das sind immer weniger, erkennen z.B. einen Hirten als Oberhaupt an. Das ist keine erarbeitete oder natürliche Autorität und daher für Humanisten undenkbar.  Das Wichtigste wäre, dem Gegenentwurf zur Religion einen Namen zu geben und der ist Humanismus.  Die Vernunft setzt sich nach Freud zwar sehr langsam durch, aber sie setzt sich durch. Bei uns hat sie sich ja schon teilweise durchgesetzt. Rückfälle in dogmatische Zeiten passieren schnell und ohne Ankündigung wie in der Türkei und in Polen. Humanismus schreit nicht laut und wenn wir dem Humanismus zum Durchbruch verhelfen wollen, dann muss man ihn benennen und dazu stehen. 

 

Was gibt es für konkrete Pläne?

 

Wir wollen humanistische Riten einführen, bei den großen Lebensfeiern, Geburt, Hochzeit und Bestattung, um den Humanismus im Leben zu integrieren. Wir wollen politische Forderungen stellen wie den Ethikunterricht für alle von geeignetem Personal, wir wollen den Tod individualisieren und den Staat da raushalten u.v.m. Wir für die beste Bildung für die Kinder von klein auf und nicht Indoktrination. Für alle diese Anliegen sind die Leute zu über 70% positiv eingestellt, aber konservative pressure groups verhindern eine Modernisierung, weil sie die Menschen gerne lenken möchten und das geht wie seit Jahrhunderten am besten über die Religion. Auf dem politischen Sektor verlangen wir die Verankerung der Säkularität in der Verfassung (als Fundament) und selbstverständlich fordern wir die Gleichstellung der Weltanschauungs-Gemeinschaften mit den Religions-Gemeinschaften nach dt. Vorbild um den gleichen Rechtsstatus wie die Kirchen zu erlangen (Körperschaft öffentlichen Rechts).

 

Was kann der Einzelne tun?

 

Wichtig ist, sich dessen bewusst zu werden, dass nach der Kirche nicht nichts kommt, sondern viele, die der Kirche ade gesagt haben, gehören zu einem „Kollektiv der Individualisten“, die die neue Freiheit nützen um selbst zu denken, wie dies Kant einmal gefordert hat. Diese Menschen stehen auf dem Boden der Wissenschaft, der modernen Ethik und des gesellschaftlichen Respektes vor dem Andersdenkenden, ohne Kritikverbot an anderen Glaubensdoktrinen. Das führt über den Begriff der Freiheit, der Gleichheit, der Säkularität und der demokratischen Ordnung fast von selbst zu einer humanistischen Weltsicht und zu einer humanistischen Spiritualität. Spiritualität ist keine Alleinbesitz der Religion, sondern ist jedem zu eigen, der sich mit seiner Innerlichkeit, seinen Gefühlen, seiner Authentizität und seinem Bewusstsein befasst. Dafür gibt es hunderte Methoden, wie Meditation. Damit das aber politisch eine Chance hat, muss man sich trotz Individualismus zusammenschließen, z.B. in einer humanistischen Gemeinschaft wie dem Humanistischen Verband Österreich (Kosten sind ein Bruchteil der Kirchensteuer). 

 

Herr Dr. Engelmayer, vielen Dank für das Gespräch.

 

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